Barry

Kangal-DSH-Mix

70 cm, 37 kg

1999 - 2010

(eingezogen 2002)

 

Wie schreibt sich eine Hunde-"Biografie" am besten. Selber schreiben kann Hund nicht weil eben Hund (wobei mich seine Sicht der Dinge schon interessiert hätte)  und er nun auch schon sehr lange nicht mehr unter den Lebenden weilt. Barry (geb. April 1999) könnte immerhin mehr erzählen als ich, da ich ihn erst 2002 über das Internet kennengelernt habe. Virtuell auf der Vermittlungsseite der Organisation,  real erst gut eine Woche nachdem ich ihn entdeckt hatte. 

 

BeardedMix Balu war kurz vorher nach einer Milz OP  Zuhause nicht mehr aus der Narkose erwacht. Es war in der Zeit (noch?) üblich, Tiere  in Narkose dem Besitzer mitzugeben. Zumindest in meinem direkten Umfeld. TA war mit der OP zufrieden, Tumor war restlos entfernt worden, keine Metastasen, gute Durchblutung und trotzdem wollte Balu nicht mehr aufwachen und trat seine Reise zu neuen Abenteuern in eine andere Welt an. 

 

Balu war ein sehr  umgänglicher, selbständiger aber trotzdem auch sehr am Menschen orientierter Hund. Andere Hunde fand er nett, brauchte sie aber nicht. Er zog Menschen vor. Überwiegend waren wir mit ihm  zu 99% offline unterwegs, denn er konzentrierte sich zwar auf das, was ihn interessierte, vergaß aber nie darauf zu achten wo wir gerade waren. Theoretisch war er der perfekte Hund, praktisch konnte ich keinen Zugang zu ihm finden, da er oft  sehr unruhig war. Verwöhnt durch seinen souveränen, ausgeglichenen Vorgänger, Bearded Collie Jimmy, machte mich sein oft unzufriedenes Fiepen nervös, da ich mich immer bemüßigt fühlte zu überlegen, was er denn nun haben könnte, was er wollte, was ihm fehlte.

Nach dem "kleinen" Balu (ca. 50 cm) wollte ich nun einen großen dreifarbigen/bunten Hund . Durch das Internet gab es eine große Auswahl aller möglichen Größen, Farben, und unterschiedlicher Herkunft. Hatte mir das eigentlich einfacher vorgestellt bei der großen Auswahl, aber  über Tage blieb ich bei keinem Hund wirklich hängen. Schöne, große und mehrfarbige Hunde gab es eine Menge. Aber, ne, nicht wirklich zog mich einer der Hunde an. Bis, tja, bis ein eher unscheinbarer  Hund mich dazu verleitete immer wieder auf seine Anzeige zurückzukommen: Barry. Gut, von "bunt" weit entfernt. Nur von vorn zu sehen, eher Richtung  DSH  (einen Deutschen Schäferhund wollte ich nun wirklich nicht), aber trotzdem zog mich etwas an. Sein freundlicher Blick? Sein "lächelnder" Ausdruck? Ich weiß es nicht, ich kam nicht von ihm los.

 

Eine ausführliche Mail war schnell geschrieben. Da ich genau wusste, was ich bei einer Vermittlung an Ansprüche stellen würde, habe ich alles "reingepackt", was ich als Informationen erwarten würde. Was ich

einem Hund bieten kann, welche Erfahrungen ich besitze, wo/wie ich wohne und einiges mehr. Ok, ein klitzekleines bisschen habe ich auch etwas "unterschlagen" (dazu später), denn eines war klar: diesen Hund oder keinen (jedenfalls nicht so bald).

 

Kurz und knapp: Antwort erhalten, dass Mail sehr interessant und eigentlich keine Fragen offen; längeres Telefonat geführt (über was man sich über eine Stunde lang so alles unterhalten kann, wenn man sich fremd ist, erstaunt mich doch immer wieder); umgehend einen Termin mit der Pflegestelle ausgemacht, und einmal durch Berlin um Barry kennenzulernen.

 

Jau, groß war er. Und lang. Und freundlich. Und lang. Fällt mir heute auf Bildern gar nicht mehr so sehr auf, aber bis dato hatte ich einen Kangal noch nicht in Natura gesehen. Sinnvollerweise war es in meinem Umfeld noch nicht wirklich Mode sich mit Herdenschützern "auszustatten". Gut, mit Kangals hatte ich keine Erfahrung, DSH wollte ich eher nicht, aber hier kam mir "mein" Hund entgegen, und "Jesses, ein HerdiMix" war vergessen. Ca. 70 cm, Ringelrute, lang (jaaaa, hatte ich schon), nett, aber wir waren eher uninteressant für ihn. Wasser-verrückt war er, und Stöckchen-verrückt. Kleine Hunde hatte er zum Fressen gern, also eher bildlich, nicht wortwörtlich. Gefressen hatte er bis dahin und auch später noch keinen Artgenossen, aber "Weitwurf" (hatte es erst ein paar Tage vor unserem Besuch mit einem kleinen Hund gegeben), das war noch ein Punkt, an dem wir arbeiten mussten. Mit kleinen Hunden war also Vorsicht geboten. Ah ja.  

Aus organisatorischen Gründen und um ausreichend Möglichkeit zu haben "drüber zu schlafen", wurde uns Barry dann 5 Tage später vorbeigebracht.

Es wurde spannend: Die Orga wusste nicht, ob er mit Katzen auskommt. Bei uns gab es zwei davon. Diese wurden zur Kenntnis genommen, aber er reagierte in keinster Weise. Sie waren für ihn .... einfach nicht da?

Keine Ahnung. Wohnung wurde inspiziert während die Dame der Orga und ich das Formelle erledigten und dann waren wir allein. Nun kam der Punkt, den ich der Orga vorsichtshalber nicht mitgeteilt hatte: Klein Paulchen, seines Zeichens Dackelmix und ab und an etwas, mh, jo, Größenwahnsinnig. Er war der Hund meiner Freundin und öfter bei uns. Wir hatten uns vor dem Haus verabredet inkl. 2-jähriger Tochter der Freundin und nun gespannt, wie Barry sich der "kleinen Rakete" gegenüber verhalten würde. Barry war wohl der Einzige, der die Ruhe selbst war. Er schien darauf zu vertrauen, dass wir wissen was wir da tun.

 

Wie vermutet kam Paulchen kläffend auf Barry zugestürmt, ditschte ihn kurz in die Halskrause uuuund: nichts. Barry schaute eher erstaunt ("wer bist denn du? ") und lief einfach weiter. Paulchen war sichtlich irritiert, dass er einfach ignoriert wurde. War ihm bis dahin auch noch nicht passiert. Wir gingen ein Stück bis Paulchen sich wieder gefasst hatte und dann ging es wieder in die Wohnung. Dort gab es bei uns Menschen noch einmal etwas Anspannung, da Barry nun ohne Leine, aber er ignorierte Paulchen (und 2-jährige Tochter) weiterhin.

Einen Tag später sah es dann so aus, und in Zukunft wusste Paulchen Barrys Gutmütigkeit immer wieder auszunutzen.   

Den Alltag lebten wir trotz Barrys Einzug  so weiter, wie er bei uns ablief: Die Freunde meiner Kinder waren bei Einzug da, ignorierten ihn und Barry konnte sein Tempo bestimmen, wie schnell oder langsam er etwas kennenlernen wollte. Zu meinem Alltag gehörte auch, dass ich sonntags mit "meinem" Hundeverein im Umland unterwegs war und Montag/Donnerstag auf dem Hundeplatz arbeitete. Da unsere Treffen sonntags zwischen 9 und 25 Hunden umfasste (es brauchte sich nicht angemeldet werden), organisierte ich ein Treffen am Folgetag seines Einzugs mit dem festen Kern, um in Ruhe (und ohne mich auf Kunden konzentrieren zu müssen) schauen zu können, wie Barry sich mit anderen Hunden im Freilauf verhielt. 

 

Während ich das so schreibe, bin ich doch fasziniert, dass ich den Freilauf so schnell in Angriff genommen habe. Vielleicht lag es daran, dass Barry insgesamt gemütlich unterwegs war, er nicht hektisch nach vorn gehend agierte bei unseren ersten Spaziergängen an der Straße und, auch wenn es schon ein wenig aufregend war, ich doch schon ein gewisses Vertrauen zu ihm hatte. Vielleicht kam noch dazu, dass er bei unserem Besuch auch kurz abgeleint wurde.

 

Es verlief recht unspektakulär. Auf einem anderen Weg gestartet um der wartenden Gruppe entgegengehen zu können (und damit seine Reaktion bei Sichtung schon ein wenig einschätzen zu können), gab es eine kurze "jippi, ich kann mich frei bewegen"-Runde. Auf Zuruf kam er schnell wieder zurück und es ging zum Treffpunkt. Kurzes Anleinen, mit Abstand "einfädeln" in die Gruppe und ein Stück zusammen laufen bis zu dem Feld, um das wir laufen wollten. Nun konnten die Hunde sich frei bewegen und außer ein wenig grummeln lief alles ruhig ab.

Kurzfristig war Barry dann "verschütt" gegangen und wir fanden ihn unter einem Busch. Er besaß keinerlei Kondition, war übergewichtig und solche (für mich normalen) Runden nicht gewohnt. Nach einer kurzen Pause ging es weiter zum Wasser und nun war er in seinem Element. Wasser war und blieb zeitlebens seine Leidenschaft. Er schwamm leidenschaftlich gern, musste nicht mit Gegenständen motiviert werden ins Wasser zu gehen. 

Vorgänger Jimmy und Balu konnten auch an der Straße ohne Leine laufen. Bei Barry hatte ich mich schon darauf eingestellt, dass das wohl eher nicht klappen wird. Er belehrte mich eines Besseren. Nach ca. 3 Wochen lief auch er ohne Leine. Über Kommandos war Barry nicht zu bewegen auf mich zu achten, wenn ihn etwas mehr interessierte. Dazu musste ich ihn erst "ins Boot" holen und mit ihm zusammen Wege finden, die es im ermöglichten zu verstehen, was ich von ihm erwarte. Schnell hatte er verstanden, dass ich jederzeit auf die Straße darf (dort laufen, mit Fahrrad fahren, hüpfen und was was ich mir alles einfallen ließ), er aber die Straße nur betreten bzw. überqueren durfte, wenn ich ihn deutlich dazu aufforderte. Das führte später dazu, dass ich mich schon mal wunderte, warum Barry auf der gegenüberliegenden Straßenseite lief. Ich hatte einen Gasthund dabei und er hatte wohl meine Aufforderung, die Straße zu überqueren, nicht gehört. Da er kaum zu verunsichern war, entschied er kurzerhand und unaufgeregt einfach parallel mitzulaufen. 

Das erinnert mich an die Vorgänger Jimmy und Balu, die ich oft mal "abholen" musste, wenn ich entweder in Gedanken oder auf dem Fahrrad über Querstraßen lief/fuhr und ihnen nicht deutlich das Überqueren gestattet. Sie standen dann oft genervt an den zu überquerenden Straßen herum und mussten auf meine Rückkehr warten.